Eine lückenhafte und unkoordinierte psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit Essstörungen erforderte eine stärkere Vernetzung und Abstimmung der verschiedenen Leistungserbringer über die Sektorengrenzen hinweg. Hierfür wurde das Netzwerk Essstörungen im Ostalbkreis NEO e. V. gegründet und ein Integrierter Versorgungsvertrag mit der AOK Baden-Württemberg abgeschlossen. Das IV-Projekt NEO bietet für Patienten mit Essstörungen eine multimodale Behandlung im ambulanten Bereich an. Die Behandlung ist in eine Motivations-, Therapie- und Nachsorgephase untergliedert. Ein multiprofessionelles Behandlerteam koordiniert die Behandlung in den regelmäßig stattfindenden Fallkonferenzen. Ziel dieser Studie war die Evaluation des Modellprojektes mittels Untersuchung der Teilnehmer, der Veränderungen auf Symptomebene, der Behandlungszufriedenheit, des Behandlungserlebens und der Verläufe. In den Eingangsuntersuchungen wurden ein Basisdokumentationsbogen und ein psychometrisches Inventar mit 4 Fragebögen (Eating Disorder Inventory-2 (EDI-2), Eating Disorder Examination-Questionaire (EDE-Q), Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ D), Symptom-Checkliste-90-R (SCL-90-R)) vorgegeben. Bei den Patienten, die die Therapie wie geplant durchliefen (reguläre Beender) wurde am Ende der Therapie erneut das psychometrische Inventar und ein halbstandardisiertes persönliches Interview mit Fragen zum Behandlungserleben und zur Symptomatik erhoben. Bei den Patienten, die während der Motivations- oder Therapiephase ausschieden (vorzeitige Beender) wurde eine ergänzende Querschnittsuntersuchung mittels Leitfaden gestütztem Telefoninterview durchgeführt, zusätzlich wurde das psychometrische Inventar zugesandt. In die Studie wurden 114 Patienten im Zeitraum von August 2007 bis August 2012 eingeschlossen. Bei 36,8% der Patienten wurde eine Anorexia nervosa, bei 50,9% eine Bulimia nervosa, bei 10,5% eine Binge Eating Disorder und bei 1,8% eine sonstige Essstörung diagnostiziert. Von den 110 Patienten, die eine Behandlung aufnahmen, kam es bei 47 (42,7%) zu vorzeitigen Beendigungen, 39 (35,5%) schlossen die Therapiephase ab , 24 (21,8%) befanden sich am Ende des Erhebungszeitraumes noch in laufender Behandlung. Bei den regulären Beendern zeigten sich zum Therapieende signifikante Veränderungen im Global Severity Index (GSI) der SCL-90-R und in allen Subskalen des EDI-2, des EDE-Q und des PHQ-D. 34/35 (97,1%) der Patienten beschrieben die Essstörung als gebessert oder geheilt. 13/16 (81,3%) der Patienten mit Bulimia nervosa erfüllten nicht mehr das DSM IV Kriterium von durchschnittlich 2 Essanfällen pro Woche. Bei den 14 Patienten mit Anorexia nervosa kam es zu einer signifikanten Zunahme des Body-Mass-Index (BMI) von im Mittel 17,0 kg/m² auf 19,0 kg/m² nach durchschnittlich 15 Monaten Behandlung. 12/14 (85,7%) erfüllten mit einem BMI über 17,5 kg/m² nicht mehr das Vollbild der Erkrankung nach ICD 10. Alle erhaltenen Therapiebausteine, abgesehen von dem Baustein Medikation, wurden von den Patienten als wirksam eingeschätzt. In einer Querschnittsuntersuchung im August 2012 konnten 26/47 (55,3%) der vorzeitigen Beender interviewt werden. Zum Erhebungszeitpunkt beschrieben 23/26 (88,5%) der Patienten die Essstörung als gebessert oder geheilt. 9/11 (81,8%) der Patienten mit Bulimia nervosa hatten durchschnittlich weniger als 2 Essanfälle pro Woche. Bei 6/12 (50%) der Patienten mit Anorexia nervosa lag der BMI über 17,5 kg/m². Diese Daten lassen auch bei den vorzeitigen Beendern gute Therapieeffekte vermuten. „Äußere Gründe“ (z. B. Terminprobleme) mit 43%, gefolgt von „fehlender Motivation“ mit 31% waren die Hauptgründe für eine vorzeitige Beendigung. Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass das IV-Projekt NEO von den Patienten gut angenommen und positiv bewertet wird. Es zeigen sich gute Therapieergebnisse bei hoher Behandlungszufriedenheit. Daher sollte das Therapiekonzept in unveränderter Form fortgeführt werden. Um stärker belastbare Daten durch größere Stichproben zu erhalten sollte die Begleitforschung fortgesetzt werden. Für eine bessere Vergleichbarkeit der Untersuchungsgruppen sollten die vorzeitigen Beender zum Beendigungszeitpunkt untersucht werden. Eine Katamnesestudie wird bereits durchgeführt.