Zusammenfassung: Dispersion beim Seeregenpfeifer (Charadrius alexandrinus): Adulte Weibchen unternehmen die weitesten Wanderungen Dispersion ist ein wichtiger Verhaltensprozess, der unter anderem für die Artbildung, die Lebensfähigkeit von Populationen und die individuelle Fitness eine wichtige Rolle spielt. Trotz der Fortschritte bei der Erforschung der Dispersion von Vögeln gibt es noch viele Wissenslücken. So ist es beispielsweise von Interesse zu untersuchen, wie die Dispersionsneigung mit alters- und/oder geschlechtsspezifischen Mustern zusammenhängt. Hier haben wir die Rolle des Geschlechts und des Alters für die Dispersion nach der Geburt (natal dispersal; d. h. die Bewegung zwischen Geburtsort und erstem Brutort) und die Umsiedlungen der Altvögel (breeding dispersal; d. h. die Bewegung zwischen aufeinanderfolgenden Brutplätzen) beim Seeregenpfeifer (Charadrius alexandrinus) jeweils für Distanzen von mehr als 10 km untersucht. Dieser kleine und unauffällige Regenpfeifer zeichnet sich durch ein flexibles Paarungsverhalten aus, das sowohl Monogamie als auch serielle Polygynadrie umfasst. Anhand eines kontinentweiten Datensatzes von Beringungs- und Wiederfunddaten aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Art in Europa haben wir festgestellt, dass sich adulte Weibchen generell weiter zwischen Brutsaisons umsiedelten als adulte Männchen. Wir haben aber keinen Geschlechtsunterschied bei den Ausbreitungsdistanzen nach der Geburt und keinen allgemeinen Unterschied zwischen den Dispersionsdistanzen nach der Geburt und als Altvögel festgestellt. Darüber hinaus waren adulte Weibchen die Hauptgruppe mit Fernumsiedlungen, die wir als Umsiedlungen von ≥ 108 km definierten (oberes 10%-Perzentil unseres Datensatzes). Im Rahmen unserer Arbeit wurden zwei Weibchen entdeckt, die im Mittelmeer brüteten, bevor sie sich im darauffolgenden Jahr an der Nordsee ansiedelten, und zwar in Entfernungen von 1.290 bzw. 1.704 km – dies sind die weitesten bekannte Brutumsiedlungen innerhalb der Gattung Charadrius. Die von uns ermittelten Fernumsiedlungen stehen im Einklang mit der geringen genetischen Differenzierung zwischen den Festlandspopulationen, die in früheren Arbeiten nachgewiesen wurde. Die hohe Dispersionsneigung des Seeregenpfeifers ist wahrscheinlich auf sein Brutverhalten zurückzuführen: Polyandrische Weibchen suchen ausgiebig nach Partnern und Lebensräumen. Wir empfehlen, die Dispersionseigenschaften des Seeregenpfeifers in die Schutz- und Managementplanungen einzubeziehen, um besser Informationen über die Populationskonnektivität und Metapopulationsdynamik zu erhalten. [ABSTRACT FROM AUTHOR]